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Meine DJ-Reise entlang Südamerikas Küste.

07.12.23 – 11.01.245 Wochen, 18 Häfen, unzählige Erlebnisse

Schon lange war es mein Wunsch, als DJ mit einem Schiff die Ozeane zu befahren. Durch meine Referenzen der zahlreichen VIP-Partys war ich für die Agentur sofort von Interesse. Den Tipp mit der Booking-Agentur bekam ich von einem befreundeten DJ, der schon öfter mit der “Mein Schiff” als DJ gefahren ist. Durch ein ansprechendes Bewerbungsschreiben, aus dem hervorging, dass ich wusste, worum es meinen Auftraggebern geht, kam es zu einem klärenden Telefonat. Kurz darauf erhielt ich bereits den Vertrag und einen DJ-Reise-Katalog. Wie sich herausstellte, war diese Agentur für die MS Europa 2 zuständig. Ein Luxusschiff mit 5½ Sternen, nur 500 Passagieren und 370 Crew-Mitgliedern – das macht das Reisen zu einer besonders intimen Erfahrung.

Bevor es losgehen konnte, musste ich jedoch einige Hürden überwinden. Zunächst stand ein verpflichtendes Sicherheitstraining in Rostock an. Wer als DJ dieses Training nicht durchläuft, darf nicht länger als zwei Wochen auf einem Schiff mitfahren. In dem Kurs wurde ich in Notfallprozeduren, Brandschutzmaßnahmen und Erster Hilfe unterrichtet – eine intensive, aber notwendige Vorbereitung. Zusätzlich musste ich verschiedene medizinische Untersuchungen durchlaufen, spezielle Impfungen erhalten und eine Seetauglichkeit nachweisen.

An Bord der MS Europa 2: Mein neues Zuhause auf See

Nachdem ich alle Unterlagen zusammen hatte und meine Reiseunterlagen bekam, fuhr ich nach Berlin ins Hotel. Am nächsten Morgen ging es über London nach Barbados, wo meine erste Seereise starten sollte. Mit 39 Grad Fieber trat ich dennoch den Flug an. Vollgepumpt mit Medikamenten kam ich halbwegs fit an und lernte bereits vor dem Einchecken “Sterni” kennen, einen ehemaligen Barchef der Sansibar an Bord. Er sollte sich als wertvoller Begleiter während der Reise erweisen.

Ein erster Schock folgte bei der Gepäckausgabe: Mein Handgepäck mit meinem gesamten Musikarchiv, zwei MacBooks und meinem Controller fehlte. Nach einer nervenaufreibenden Suche und Unterstützung durch die Reederei-Agenten blieb nichts anderes übrig, als ins Hotel einzuchecken und auf weitere Informationen zu warten. Einen Tag später, als ich mich mit einem Techniker auf eigene Faust zum Flughafen begab, entdeckte ich meinen Koffer zufällig auf einem Gepäckwagen – gerade noch rechtzeitig vor der Abfahrt zum Schiff!

An Bord angekommen, wurde mir eine kleine Einzelkabine unter der Wasserkante zugewiesen. Meine Kabine, die ich alleine nutzen durfte, war klein, praktisch und mit allem ausgestattet, was ich brauchte: ein Bett, ein Tisch, Klimaanlage, TV, Kühlschrank, Dusche und WC.  Ohne “Sterni”, den netten Herren, hätte ich am Anfang wohl den Überblick verloren. Weder wusste ich, wo ich als Erstes hin sollte, noch, wie ich am schnellsten einen Ort auf dem Schiff fand. Denn kaum jemand gibt dir Infos – alles musst du selbst herausfinden. Dafür gibt es Infotafeln, die in der Nähe der Crewmesse und beim Crewpurser aufgehängt sind. Dort steht alles, was wichtig ist: Crew-Drills und sonstige wichtige Termine.

Der Crewpurser und die Entertainment-Managerin nahmen mich in Empfang und erklärten mir die wichtigsten Regeln: Gäste haben stets Vorrang, angemessenes Verhalten und Kleidung sind Pflicht. Ich erhielt meinen ersten Spielplan, in dem meine DJ-Sets meistens um 21:30 Uhr begannen und bis etwa 02:00 Uhr dauerten. Ab und zu begleitete ich auch die Café- und Waffelzeit mit entspannten Sounds. Neben der Sansibar gab es viele weitere Locations an Bord, darunter ein Live-Club, eine große Showbühne und verschiedene Restaurants. Über das Bord-TV wurde ich erstmals offiziell angekündigt – ein besonderes Gefühl.

Mein Arbeitsalltag als DJ auf See

Mein Tagesablauf war meist gleich: Um 09:00 Uhr frühstücken in der Crew-Messe, danach Musik sichten, Fotos posten und mich auf den Abend vorbereiten. 12:00 Uhr Mittagessen, danach Landgang oder entspannen. 18:00 Uhr Abendessen, danach einstimmen auf den Abend. Wenn das Schiff im Hafen lag, hatte ich die Möglichkeit, Landgänge zu machen, während die restliche Crew arbeitete. Während meiner Arbeitszeit hingegen hatten viele Crewmitglieder frei und trafen sich in der Crewbar oder auf dem exklusiven Sonnendeck für das Personal.

Als DJ stand ich nicht im Mittelpunkt, sondern begleitete die Abende musikalisch. Die Gäste suchten Ruhe, Erholung oder genossen die Sonnenuntergänge, sodass die Musikauswahl stets mit Bedacht getroffen werden musste. Das tägliche Bordprogramm bot eine Vielzahl an Shows, deren Ausklang oft in der Sansibar stattfand. Als DJ spielte ich vorrangig: sanfte Chillout Tunes, RnB, Soulclassics, ansprechende 70er-80er, Rock’n’Roll, House-Tunes, aber auch Latin war zu hören.

An Bord gibt es immer diverse Künstler, Liveacts, Tanz-Shows und eine TOP40-Bordband, die mitreisen und ein Teil des Ganzen sind. Die Crew an Bord ist international und kommt aus zahlreichen Ländern. Ich lernte Kollegen aus Ägypten, der Türkei, Serbien, Russland, den Philippinen, Rumänien, der Schweiz und Österreich kennen und schätzen.

Nach drei Wochen merkte ich, dass die tägliche Arbeit ohne Pausen über Wochen hinweg eine mentale Herausforderung darstellte. Sterni lud mich ein, gemeinsam mit ihm Landgänge in Salvador, Montevideo und Buenos Aires zu unternehmen – eine willkommene Abwechslung. Besonders das Shoppen in Buenos Aires und der Besuch von Salvador blieben mir in Erinnerung.

Unvergessliche Momente und Highlights der Reise

Ein beeindruckendes Erlebnis war der Weihnachtsmarkt auf dem Pooldeck, den die Crew in kürzester Zeit aufbaute – und das war längst nicht alles. Mein Kumpel, Kollege und Stadtführer Sterni war in der Weihnachtszeit gemeinsam mit zwei Damen für die festliche Dekoration zuständig. In tagelanger Arbeit schmückten sie die Suiten, Flure und Decks – ein enormer Aufwand! Die gesamte Dekoration kam auf über 40 Europlatten an Bord – einfach gigantisch.

Ich durfte das Ganze musikalisch begleiten und war auch Teil der großen Silvestershow am Kap Horn – ein absolutes Highlight! Durch einen schnellen Umbau sorgte ich dafür, dass die Party nahtlos von der Pool-Bühne in der Sansibar weitergehen konnte. Giovanni Zarrella, der anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der MS Europa 2 während der Silvesterfeierlichkeiten 2023/2024 auftrat und den Gästen ein besonderes musikalisches Erlebnis bot, bedankte sich herzlich für meinen Einsatz.

Auch für die Crew wurde gesorgt: Mit Geschenken, Deckpartys und besonderen Landgängen wurde ihre Motivation gestärkt und auf diese Weise ein herzliches Dankeschön für ihre großartige Arbeit ausgesprochen.

Ein weiteres unvergessliches Erlebnis war mein Besuch an der legendären Copacabana in Rio de Janeiro – feiner Sand unter den Füßen, das Rauschen der Wellen und eine Atmosphäre, die pure Lebensfreude ausstrahlt. Doch der wahre Höhepunkt folgte kurz darauf: der Moment, als ich oben auf dem Corcovado stand, direkt vor der beeindruckenden Christusstatue. Von dort aus lag mir ganz Rio zu Füßen – ein atemberaubender Anblick, der mich tief berührte.

Ushuaia, das Tor zur Antarktis, faszinierte mich mit seiner rauen, fast unwirklichen Schönheit. Hier, am südlichsten Zipfel der Welt, fühlt man sich klein und doch lebendiger denn je. Und dann Chile: die majestätischen Gletscher, die tiefen Fjorde – eine Naturkulisse, die mich sprachlos machte.

Apropos Corcovado: Genau in diesem magischen Moment, während ich die Aussicht genoss, klingelte mein Telefon. Die Entertainment-Managerin war dran. Etwas aufgeregt teilte sie mir mit, dass mein Auftritt zur Café-Waffelzeit versehentlich nicht in den Tagesplan eingetragen wurde – aber es wäre großartig, wenn ich dennoch spielen könnte. Tja, was soll ich sagen? Ich liebe meinen Job. Also machte ich mich auf den Rückweg zum Schiff, schaltete in den Profi-Modus – und kurz darauf erfüllten sanfte Klänge das Pooldeck. Manchmal sind es genau diese ungeplanten Momente, die einen Profi ausmachen: direkt in den Arbeitsmodus umzuschalten und abzuliefern.

Natürlich gab es auch Herausforderungen: Reibereien oder kleinere Beschwerden, wenn der Musikgeschmack nicht immer getroffen wurde, wurden schnell von den zuständigen Managern geregelt. Ein besonderes Erlebnis war ein „geheimer Deal“ mit einer Passagierin, die sich Schlager wünschte – ein Genre, das offiziell nicht ins Konzept passte. Da an diesem Abend nur sechs Gäste in der Sansibar waren, spielte ich ihr den gewünschten Titel, unter der Bedingung, dass sie aufpasste, dass meine Chefin nicht in der Nähe war.

Meine 2 DJ-Reise von Hamburg zu den Azoren

29.07.2024 – 24.08.2024 – 4 Wochen, 12 Häfen, unvergessliche Nächte.

Diesmal gab es keinerlei Probleme während der Anreise. Der Grund könnte sein, dass ich in Hamburg an Bord ging. Aber eins vorweg: Ich musste die Reise leider früher abbrechen als geplant.

Ich war wie immer früh vor Ort und quartierte mich eine Nacht zuvor in einem Hotel in der Nähe des Hafens ein. Gegen 08:30 Uhr betrat ich ein weiteres Mal die MS Europa 2. Ein vertrautes Gefühl! Die Begrüßung an Bord war herzlich, und ich freute mich darauf, wieder in der legendären Sansibar aufzulegen. I’m back! Es ist ein gutes Gefühl, wenn sich viele an Bord freuen, mich wiederzusehen. Ich fühle mich so gut aufgehoben, dass es schon fast unglaubwürdig klingt – ist aber so.

Technische Herausforderungen an Bord

Da ich früh an Bord war, konnte ich direkt in die Sansibar und einen für mich wichtigen Soundcheck durchführen. Doch, oh Schreck: Als ich das DJ-Pult öffnete, das sich in einem eigens dafür angefertigten Bereich befindet, war kein Controller vorhanden. Also verabredete ich mich etwas später mit dem Cheftechniker. Er informierte mich darüber, dass der ursprüngliche Controller defekt ist und ich mit anderer Technik Vorlieb nehmen müsste. Darum ist es wichtig, alle Möglichkeiten im Kopf einmal durchzuspielen. Alles Mögliche kann passieren und ausfallen – was auch mir an Bord einmal bei voller Tanzfläche passierte: Der Controller fror einfach ein.

Erste Highlights: Party mit besonderen Gästen

In Antwerpen angekommen, unternahm ich keinen Ausflug, da ich ehrlich gesagt sehr erschöpft von den technischen Problemen war. Auch das Ersatz-Setup machte Schwierigkeiten. Also entschlossen wir uns, den bereits für die Reparatur eingepackten Controller zu reaktivieren. Und es funktionierte! Perfektes Timing, denn am nächsten Abend kam eine Abordnung mit 30 Gästen von Hapag-Lloyd an Bord, machte einen Rundgang und wollte eine spontane Tanzparty. Was mir mit Hilfe der Musikwünsche auch super gelang.

Lissabon: Begegnungen mit Musiklegenden

In Lissabon kam Alex Christensen (U96) samt Orchester und das Techno-Duo Andhim an Bord, um hier aufzutreten, und ich hatte das Privileg, jeweils die Aftershow-Partys in der Sansibar zu gestalten. Oft kommen, wie auch an diesem Abend, die Künstler nach ihren Shows in die Sansibar. Alex Christensen (U96) kam an meinen DJ-Tresen, begrüßte mich freundlich und hatte etwas später viel Spaß auf der kleinen, aber intimen Tanzfläche, die sich während der Nacht in einen Club verwandelte.

Alex Christensen meinte: „Der DJ hat’s drauf.“ Und die Ladys aus seiner Liveband erzählten mir, dass sie vor kurzem in St. Tropez auf einer Party auf einer Yacht waren. Die DJs dort seien nicht halb so gut gewesen. Tja, viel mehr Bestätigung kann man wohl kaum bekommen. Besonders bestätigt fühle ich mich, wenn Musiker-Kollegen oder Künstler, die für einige Tage an Bord sind, meine Arbeit wertschätzen und mich für die ausgewählten Tracks sowie die Zusammenstellung loben.

Faszination Bordeaux und Lissabon

In Lissabon und zuvor in Bordeaux lagen wir jeweils für zwei Tage vor Anker. Was für großartige Städte! Ich muss sie auf alle Fälle nochmals bereisen. Freundlich und weltoffen, fühlte ich mich überall, wo ich von Bord ging, stets willkommen. Was in beiden Städten auffiel, ist die Digitalisierung und dass man eigentlich alles mit Karten zahlen kann. In einigen Stadtbereichen kann sogar nur mit Karten gezahlt werden – aus Sicherheitsgründen, wie man mir erklärte.

Eine unerklärliche Traurigkeit

Irgendwie war ich aber während dieser Fahrt mit der MS Europa von Traurigkeit begleitet. Mein bester und einer meiner langjährigsten Freunde hatte kurz vor meiner Fahrt die Diagnose Speiseröhrentumor erhalten. Wir waren bereits auf den Azoren angekommen, und nach einer weiteren Nacht in der Sansibar wachte ich am nächsten Morgen auf und begann direkt zu weinen. Warum, konnte ich nicht zuordnen. Heimweh oder übermäßigen Stress hatte ich ebenfalls nicht. Nach einem Gespräch mit der Entertainment Managerin und dem zuständigen Mediziner an Bord, der mich erstmal mit Beruhigungsmitteln fit machte, brach ich nach einer weiteren Show die Fahrt ab. Ich wollte es abklären lassen und nicht in ein Burnout schlittern, denn der Arzt meinte, es könnte ein Überarbeitungs-Syndrom sein, das ich mit an Bord gebracht habe.

Ein schmerzhafter Verlust

Also fuhr ich nach Hause und hatte einige Tage später wieder einen Auftritt. Die Party lief super, die Leute feierten, und ich hatte wieder das gleiche Gefühl wie an Bord: Eine tiefe Traurigkeit, die sich breit machte und die sich für mich nicht einordnen ließ.

In dieser Nacht ist mein Freund gestorben. Da er immer Schwierigkeiten hatte, sich zu öffnen, hat er mir Gedanken von seiner Traurigkeit geschickt, die ich voll abbekommen habe. Ich hatte eine Ahnung, dass ich dafür besonders empfindlich sein könnte, denn als meine Mutter starb, meldete sie sich mit ihren Gedanken bei mir und teilte mir mit, dass sie jetzt stirbt. Das geschah, als ich mit meiner Frau im Wald spazieren ging und plötzlich kurz innehalten musste.

Die Entscheidung, die Reise abzubrechen

Die Entscheidung, abzubrechen, war nicht so einfach, dennoch habe ich sie getroffen. Denn ich komme immer vor einer Katastrophe, außerdem war es laut Vertrag möglich, den Vertrag fristlos aufzuheben. Ein Ersatz-DJ kam einige Tage später an Bord, und die Bordband musste solange den Part der Musik übernehmen.

Fazit:

Arbeiten an Bord – ein besonderer Job

Natürlich kann man die Bezahlung als DJ an Bord nicht mit Events oder Hochzeiten an Land vergleichen. Und darum ging es mir auch überhaupt nicht. Ich wollte reisen und das mit meinem Traumjob verbinden – quasi als bezahlten Urlaub. Die Vorteile sind eindeutig: Als mobiler DJ muss ich ständig Anlagen auf- und abbauen und auch transportieren – das gibt es hier nicht. Eigentlich braucht man nur seinen Laptop und eine lizenzierte Software, mit der man arbeiten kann. Das war’s. Hier gibt es ausgebildete Techniker, die sich um alles Weitere kümmern.

Insgesamt waren meinen Reisen auf der MS Europa 2 eine unvergessliche Erfahrung, voller neuer Eindrücke, Herausforderungen und einzigartiger Erlebnisse. Diese Zeit hat mich nicht nur als DJ, sondern auch persönlich enorm weitergebracht.

Dankbarkeit ist das, was bleibt

Wenn ich auf diese außergewöhnlichen Reisen zurückblicke, bleibt vor allem eines: tiefe Dankbarkeit. Dankbarkeit für die Erlebnisse, die Menschen, die mich begleitet haben, und die unzähligen Eindrücke, die ich sammeln durfte. Es war mehr als nur ein Job – es war ein Abenteuer, eine Herausforderung und eine wertvolle Erfahrung zugleich.

Jede Destination, jeder Sonnenaufgang auf dem offenen Meer und jeder Abend, an dem ich die Tanzfläche mit meiner Musik füllen durfte, hat mich bereichert. Ich habe gelernt, mich auf neue Situationen einzulassen, flexibel zu bleiben und gleichzeitig das Leben an Bord in vollen Zügen zu genießen.

Ein besonderer Dank gilt all denen, die mich unterstützt, mir den Einstieg erleichtert und mir gezeigt haben, wie einzigartig das Leben auf See sein kann. Diese Reise war erst der Anfang – und wer weiß, wohin die Musik mich als Nächstes tragen wird.